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Montag, 28. Juni 2021

[Rezension] Fräulein Niemand - Tomek Tryzna

 


Titel: Fräulein Niemand

Autor:  Tomek Tryzna
Genre: Roman
Erscheinungsdatum: 1999
Anzahl der Seiten: 334
Cover und Inhalsangabe: © btb Verlag
Begonnen: 19.05.2021
Beendet: 21.05.2021


"Kurz vor dem Hauptschulabschluß wechselt Marysia die Schule, der Vater hat in der Stadt einen besseren Job gefunden. Das Mädchen vom Lande freundet sich mit der Aussenseiterin Kasia an. Doch dann bricht Kasia plötzlich den Kontakt ab, und die schöne Ewa aus neureichem Elternhaus, die weiß, wie man Geld ausgibt und Männer um den Verstand bringt, wendet sich Marysia zu. Für Marysia tut sich eine vollkommen neue Welt auf..."


Ich bin immer wieder glücklich, wenn ich in einem öffentlichen Bücherschrank ein Werk entdecke, das sich direkt beim Lesen schon als großer Schatz entpuppt. "Fräulein Niemand" von Tomek Tryzna hat schon beim Betrachten des Covers und Titels eine Menge in mir ausgelöst, fühle ich mich doch selbst oft wie ein "Niemand". Mit einem solch intensiven Leseerlebnis hatte ich allerdings nicht gerechnet.

"Fräulein Niemand" ist die Geschichte von Marysia, die mit ihrer Familie umzieht und plötzlich ein ganz anderes Leben führt. Zuvor waren sie so ärmlich, dass sie sich alle ein schäbiges Zimmer teilen müssten, nun wohnen sie in einem Hochhaus mit eigenem Badezimmer. Auch in der Schule ist für Marysia alles anders, sie versteht die Scherze ihrer Mitschüler nicht und ist verloren. Doch dann freundet sie sich mit Kasia an, die eine dunkle Seite in ihr zutage bringt ...

Kasia war hier für mich ein unfassbar interessanter und vielschichtiger Charakter. Sie ist, wie viele Teenager wohl auch, sehr verloren und innerlich gerissen, hat sogar eine Art Dämon, der ihr Dinge befehlt. Sie verändert die Anfangs so schüchterne Marysia nicht nur, nein, sie formt sie ganz neu. Als Kasia plötzlich verschwindet und sich Marysia mit Ewa anfreundet, wird deutlich, wie das eigene Umfeld einen Menschen verändern kann. Der Geschmack der Freiheit wird zur Sucht, die eigenen Vorstellungen verändern sich und zwischen gut und böse gibt es keine Grenzen mehr.

Für mich war "Fräulein Niemand" ein Buch, das zeigt, wie toxisch Freundschaften werden können, wie schnell man sich emotional abhängig macht und wie leicht man sich doch vom Weg abbringen lässt. Tomek Tryzna hat einen wunderbaren Schreibstil, erschafft viele Bilder und taucht gleichzeitig in die Tiefe. Dabei geht kratzt er an der Psyche seiner Charaktere, wodurch es beim Lesen an einigen Stellen furchtbar schmerzt. 

Der Autor zeigt hier eine Spaltung auf, die sicherlich nicht nur in der polnischen Gesellschaft vorhanden ist. Es geht um das Erwachsenwerden innerhalb eines Systems, das Fehler aufweist, aber dennoch Perfektion verlangt. Für mich ist "Fräulein Niemand" ein unfassbar starkes Werk, das mich teilweise schockiert, teilweise gelähmt und auf jeder einzelnen Seite zum Nachdenken gebracht hat. Eins meiner Lieblingsbücher!


"Fräulein Niemand" ist ein unfassbar starkes Werk über Freundschaft, Abhängigkeit und den Druck einer Gesellschaft, die keinerlei Fehler verzeiht. Für mich definitiv ein Must-Read und nun eins meiner Lieblingsbücher.

Ich vergebe 5 von 5 mit Extratropfen.







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