Donnerstag, 9. Juni 2016

[Rezension] Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Titel: Was ich euch nicht erzählte
Autor: Celeste Ng
Genre: Roman
Verlag: dtv
Seitenzahl: 288
Cover und Inhaltsangabe ©  dtv



"Lydia ist tot." Der erste Satz, ein Schlag, eine Katastrophe. Am Morgen des 3. Mai 1977 erscheint sie nicht zum Frühstück. Am folgenden Tag findet die Polizei Lydias Leiche. Mord oder Selbstmord?

Die Lieblingstochter von James und Marilyn Leewar ein ruhiges, strebsames und intelligentes Mädchen. Für den älteren Bruder Nathan steht fest, dass der gutaussehende Jack an Lydias Tod Schuld hat. Marilyn, die ehrgeizige Mutter, geht manisch auf Spurensuche. James, Sohn chinesischer Einwanderer, bricht vor Trauer um die Tochter das Herz. Allein die stille Hannah ahnt etwas von den Problemen der großen Schwester. Was bedeutet es, sein Leben in die Hand zu nehmen? Welche Kraft hat all das Ungesagte, das Menschen oft in einem privaten Abgrund gefangen hält? Nur der Leser erfährt am Ende, was sich in jener Nacht wirklich ereignet hat."




"Was ich euch nicht erzählte" von Celeste Ng ist ein Debüt, das sich allein vom Schreibstil sehen lassen kann. Celeste Ng beschreibt hier eine sehr sensible Geschichte über eine Familie und über all die Wahrheiten, die niemals ausgesprochen wurde. Es geht um Verheimlichungen, um Egoismus, um das Denken jedes Familienmitglied und all die Fehler, die sich innerhalb mehrerer Jahre anstauen und die sich einfach nicht mehr auslöschen lassen.

Obwohl das Buch sehr emotional ist, behält die Autorin doch eine gewisse und nötige Distanz. In erster Linie erschien mir dieses Buch als Drama, als Einblick in das Leben einer kaputten Familie. Es geht nicht nur um das tote Mädchen Lydia, nein, es geht viel um das große Ganze und all die Momente, die in der Vergangenheit einen Menschen zerstört haben.




- Lydia -

Lydia ist tot und als Leser wissen wir erst einmal nicht, was passiert ist. Da das Buch bereits mit dieser Ausgangssituation beginnt, bekommen wir als Leser erst einmal keine Möglichkeit, mitzufühlen. Wie auch? Lydia ist für uns zunächst nur eine Unbekannte, ein Mädchen, zu dem wir keine Verbindung haben.

Das ändert sich aber schnell und wir lernen die Lydia der Vergangenheit kennen. Alles scheint sich um sie zu drehen. Lydia ist der Mittelpunkt der Familie, der Sonnenschein, der die Geschwister in den Schatten stellt. Sie selbst ist mit dieser Rolle nicht einverstanden und das ist verständlich. Der Druck, der auf ihren Schultern lastet, ist deutlich spürbar!

- James und Marilyn - 

James und Marilyn sind die Eltern von Lydia, Hannah und Nath. Es wird schnell klar, dass die beiden mit ihrem Leben selbst nicht zufrieden sind. Marilyn wollte nie die typische Hausfrau sein. Nein, sie wollte Ärztin werden und selbst Karriere machen. Nur dann trat James in ihr Leben und sie gibt all ihre Träume aus. Eine Tatsache, die sie nie verkraftet hat. Aus diesem Grund will sie für Lydia nur das augenscheinliche Beste. Sie will für ihre perfekte Tochter ein perfektes Leben, doch dabei übersieht sie, was Lydia selbst will und Hannah und Nath werden von ihr fast vergessen.

James ist ein augenscheinlich starker Mann, der viel erreicht hat. Er ist chinesischer Abstammung und kam illegal nach Amerika, um dort ein besseres Leben zu haben. Schnell merkt er jedoch, dass die Menschen Vorurteile gegen ihn hegen. Er fühlt sich selbst nicht als Teil der Gesellschaft.

- Hannah und Nath -

Nath ist eigentlich ein talentierter Junge, doch das sehen seine Eltern nicht. Ihn mochte ich in diesem Buch am liebsten, denn er ist trotz der Tatsache, dass seine Eltern ihn schlicht und ergreifend übersehen, eine starke Persönlichkeit. Er will ein besseres Leben führen und tut alles dafür. Bei Nath tat es mir besonders leid, dass seine Eltern sich einfach nicht für ihn interessieren. Er hat sich zwar damit abgefunden, aber der Schmerz war dennoch spürbar!

Hannah ist die Jüngste der Familie und ein tolles Mädchen, das wie Nath aber im Schatten von Lydia steht. Auch hier tat es mir leid, denn ich hatte das Gefühl, Hannah war von allen am unwichtigsten. So sollten Eltern ihre Kinder nicht behandeln!




Obwohl der Plot bekannt vorkommt, entwickelt sich das Buch doch in eine eigene Richtung. Der Tod des Mädchens ist der Ausgangspunkt der Geschichte, aber es geht hier nicht um die Aufklärung dieser grausamen Tat. "Was ich euch nicht erzählte" ist in erster Linie ein Roman mit Tiefgang, der besonders durch den außergewöhnlichen Schreibstil punkten kann!

Wir lernen die verschiedenen Familienmitglieder vor Lydias Tod kennen und bekommen Einblick in alles, was in einer Familie schief laufen kann. In "Was ich euch nicht erzählte" gibt es kaum einen "normalen" Charakter. Alle haben mit ihren Problemen zu kämpfen und alle begehen einen Fehler: Sie reden nicht miteinander.

Das Buch spielt in den 70er Jahren und das ist auch deutlich zu spüren. Die Autorin beweist hier Geschick, die Schwachpunkte der damaligen Gesellschaft aufzuzeigen. Im Mittelpunkt steht hier natürlich die Familie, die durch die chinesische Abstammung des Vaters nicht vollständig akzeptiert wird!

All das, was die einzelnen Personen sich nicht erzählen, staut sich an und es musste unweigerlich zu einem bösen Ende kommen. Ein Ende, das sich schon auf den ersten Seiten erahnen lässt, dass aber einige tragische Höhepunkte aufweist. Es gibt einige Stellen, die ich mit Herzklopfen lesen musste, aber auch einige Momente, die für mich ein wenig zu sehr in die Länge gezogen wirkten. Durch den sehr detaillierten Schreibstil hatte ich als Leser das Gefühl, nah an der Geschichte zu sein, doch dadurch zogen sich einige Abschnitte auch arg in die Länge. Dies ist hier jedoch mein einziger Kritikpunkt!

"Was ich euch nicht erzählte" ist kein Thriller oder Krimi, nein, es ist eine Erzählung, die dadurch Spannung aufbaut, dass wir schon zu Beginn den tragischen Ausgang erahnen. Der Druck, der auf allen Personen lastet, ist deutlich zu spüren und ich bin wirklich von diesem Debüt beeindruckt. Von der Autorin werden wir noch hören!




Ein vielschichtiger Roman über eine Familie, die ihre eigenen Fehler nicht sieht! Ich kann dieses Buch trotz einiger Längen empfehlen, es sollte jedoch ein Roman und kein Thriller oder Krimi erwartet werden!

Ich vergebe 4 von 5 Käseratten!




2 Kommentare:

  1. Oh, jetzt sehe ich das Cover erst ganz genau. ;) Ich dachte immer, das wäre nur Gras, derweil ist die Aufnahme vom Boden aus in den Himmel gerichtet gemacht worden und das Gras ist eigentlich eine Art Getreide. Gefällt mir echt gut! :)

    Ich mag Geschichten, in denen es um Familien geht und um Wahrheiten, die nicht ausgesprochen werden, um Fehler und Verheimlichungen. Und wenn man das Buch schon allein wegen dem Schreibstil lesen kann, dann macht das natürlich zusätzlich neugierig! Tiefgang ist mir immer sehr wichtig in Büchern und da dies hier der Fall zu sein scheint, kommt es auf jeden Fall auf meine Wunschliste. Ich habe das Buch erst nur auf vorablesen gesehen, aber aus Zeitmangel nicht reingelesen - also kommt mir deine Rezension gerade recht. ;) Danke dafür!

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  2. Huhu Jessi,
    das klingt ja auch richtig gut. Um dieses Buch schleiche ich schon länger umher, war mir aber nicht sicher ob es mir gefallen würde. Danke für den Hinweis das es kein Thriller ist, mal schauen ob ich es lesen werde. Abe damit auf die Wuli :)

    Liebste Grüße
    Line

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