Genre: Roman, Dystopie
Erscheinungsdatum: 15. August 2018
Anzahl der Seiten: 400
Cover und Inhaltsangabe © S. Fischer
"Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben – das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr.
Das ist der Anfang.
Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt."
"Vox" ist der sehr
gesellschaftskritische und
dystopische Debütroman der amerikanischen Autorin Christina Dalcher. Dass es ein Erstlingswerk ist, wird hier schnell klar. Während zu Beginn der Geschichte noch ein gewisser Enthusiasmus vorhanden ist und der Leser sehr kritisch diese Regeln der "neuen" Welt betrachten darf. verliert sich der restliche Roman in den
typischen Klischees und in einer, meiner Meinung nach, leider viel zu konstruierten Geschichten.
Irgendwann war mir der Schreibstil der Autorin
zu distanziert, was mit Sicherheit auch daran lag, dass die Charaktere allesamt sehr sonderbar agieren. Hier ein Zufall, da eine Wendung, die irgendwie nicht zu den vorherigen Ereignissen passt, und schon ist hier eine typische Geschichte mit einer Gruppe Rebellen, die das System stürzen will. Das letzte Drittel des Buches verwandelt sich zudem in einen regelrechten
Wirtschaftsthriller und ist sehr anstrengend zu lesen ...
- Jean -
Ich hätte mir, für eine Geschichte, die um die Unterdrückung der Frauen handelt, tatsächlich eine sehr starke, selbstbewusste Frau als Protagonistin gewünscht, die nach und nach erkennt, was in dieser Welt so vor sich geht.
Jean ist selbstbewusst, ja, aber hat durch einen
gewissen Egoismus auch furchtbar unsympathisch auf mich gewirkt. So hat sie zwar eine Familie, ist natürlich aber nicht zufrieden und ist dann irgendwann sogar bereit, auch ihre Kinder aufzugeben.
Nicht nur, dass sie selbst sich trotz der ganzen Gesetze, sämtliche Freiheiten nimmt, sie verletzt damit im Grunde auch noch die Menschen, die sie eigentlich lieben sollte ... Das war etwas, das ich absolut nicht verstehen konnte ...
Leider steht Jean im Zentrum der Geschichte. Zwar muss sie sich auch ihren eigenen Fehlern stellen, aber es wirkt nicht so, als hätte sie am Ende irgendwas gelernt. Die Botschaft dahinter in Verbindung mit dem Feminismus, der hier immer wieder angesprochen wird, fand ich vollkommen deplatziert. Denn Gleichberechtigung bedeutet sicher nicht, sich über alle anderen Menschen zu stellen, nein, es sollte eigentlich um
ein gleichberechtigtes und respektvolles Miteinander gehen ...
Die Thematik von "Vox" hat mich furchtbar fasziniert, denn wir leben tatsächlich noch immer in einer Zeit, in der Männer und Frauen noch lange nicht gleich behandelt werden. Deswegen fand ich es auch so wichtig, hier zu sehen, in welche
negativen Richtungen sich solch eine Diskriminierung entwickeln kann.
Frauen haben in der Welt von "Vox", die von der Kirche und der Politik gesteuert wird,
keinerlei Rechte mehr. Durch ein Armband, das sie tragen müssen und das ihre Worte zählt, wird ihnen ihre Stimme genommen.
Zu Beginn der Geschichte entführt uns Christina Dalcher in diese Welt, wir spüren am eigenen Leib, was es bedeutet, keine Stimme mehr zu haben. Besonders schrecklich fand ich es hier die Manipulation der Kinder und Jugendlichen. Zudem wird an Jean deutlich, dass sie eigentlich nichts mehr hat, was ihr wirklich Freude bereitet. Sie darf ihren Job nicht mehr ausführen, nicht lesen, nicht schreiben ... Sie soll im Grunde nur für ihre Familie da sein.
In Rückblenden erfahren wir zudem, wie es zu der ganzen Situation gekommen und wie die Frauen immer mehr aus der normalen Berufswelt und auch aus der Politik gedrängt werden. Hier wird auch wieder einmal angesprochen, wie wichtig es ist,
Widerstand zu leisten, wenn die Politik versagt. Wir alle sind selbst verantwortlich für die Welt, in der wir leben und wir alle können einen Teil dazu beitragen, sie zu einem besseren Ort zu machen!
Leider verliert sich das Buch nach der wundervollen Einführung komplett. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse, es gibt
viele Zufälle und wir betrachten ausschließlich Jean, die leider eine sehr anstrengende Protagonistin ist. Hier hätte es eine starke Frau gebraucht, nicht so einen egoistischen Charakter, der eigentlich nur für sich selbst kämpft.
Ich weiß nicht, ob Gleichberechtigung hier bedeuten soll, alle Freiheiten zu haben und alles, ganz ohne Rücksicht auf Verluste, tun zu dürfen. Richtig wütend hat mich beispielsweise
Jeans Beziehung zu ihren Kindern gemacht, die sie nur allzu bereitwillig zurückgelassen hätte, nur um selbst glücklich zu sein.
Allgemein empfand ich Jean als viel zu egoistisch. Ihr scheinen alle anderen Menschen egal zu sein, es geht ihr nur um ihr eigenes Glück. Auch ihre
Untreue, die einen großen Platz im Buch einnimmt, fand ich als vollkommen unpassend und es hat mir den Lesespaß leider noch weiter verdorben. Auch die Erotik, die nichts zur Handlungs beigetragen und doch
recht vulgär wirkte, passte einfach nicht zur Botschaft. Bedeutet Freiheit also, Menschen einfach verletzten zu dürfen? Sich über andere zu stellen?
Auch die Wendungen fand ich teilweise nicht nachvollziehbar. Aus böse wird plötzlich gut, aus gut wird böse, ohne Begründung. Leider wirkte das Buch dadurch
sehr konstruiert, als müsste es irgendwelche Überraschungen enthalten, die aber leider nicht wirklich logisch erscheinen.
Besonders die Geschichte von Jeans Ehemann war für mich nicht schlüssig, für sein Handeln gab es leider viel zu viele
Widersprüche. Hinzu kommt dann das Ende, das ich tatsächlich, so leid es mir an dieser Stelle tut,
grauenvoll fand. Während andere Dystopie sich viel Zeit mit dem Aufbau einer Widerstandsgruppe lassen, ja, während dort die Rebellion erst einmal Wellen schlagen muss, ist hier auf einmal alles wieder
Friede, Freude, Eierkuchen? Nein, das ging für mich gar nicht ... Das Ende und auch die unlogischen Wendungen und Handlungen der Personen haben das Buch und leider auch die Botschaft dahinter komplett zerstört ...
"Vox" von Christina Dalcher greift ein sehr wichtiges Thema auf, verwandelt sich irgendwann dann durch zahlreiche unlogische Wendungen beinahe schon in einen Wirtschaftsthriller, der am Ende seine gesamte Glaubwürdigkeit verliert! Schade, denn auch die Botschaft zeigt hier leider nicht mehr die gewünschte Wirkung ...