Sonntag, 16. September 2018

[Rezension] Gefährliche Geliebte - Haruki Murakami

Titel: Gefährliche Geliebte
Autor:  Haruki Murakami
Genre: Roman
Erscheinungsdatum: Juli 2002
Anzahl der Seiten: 217
Cover und Inhaltsangabe © btb



"Hajime lebt so wie Millionen Japaner: in geordneten Verhältnissen, geschäftlich erfolgreich. Er betreibt einen Jazzclub in einem schicken Viertel von Tokio, ist verheirat und hat zwei Töchter. Da tritt eines Abends Shimamoto an die Bar, seine Jugendliebe, mit der er einst ganz in die Welt der Musik versunken ist. Wie eine Halluzination erscheint sie immer ganz geheimnisumwoben an regnerischen Abenden und rührt mit ihrem bezaubernden Lächeln verloren geglaubte Saiten in Hajime an. Langsam zieht sie ihn aus seiner so perfekt erscheinenden Welt, bis er schließlich bereit ist, alles für sie zu opfern."




Endlich habe ich mein allererstes Buch von Haruki Murakami gelesen und ich muss sagen, dass er mich mit diesem Werk bereits vollkommen überzeugen konnte. In Japan ist er ja er einer der meistgelesensten Autoren und ich empfand seinen Schreibstil, trotz stellenweise etwas holpriger Übersetzung, hier doch wundervoll.

Sehr kritisch betrachtet Murakami in "Gefährliche Geliebte" das Leben seines Protagonisten in einer Welt, in der er einfach nur zu funktionieren hat, ja, in der echte und große Gefühle gar nicht so wirklich angesehen werden. Intensiv setzt der Autor sich hier mit den Gedanken Hajimes auseinander, der zu Beginn der Geschichte ein verwirrter, pubertierender Jugendlicher ist und schließlich zu einem Mann heranwächst, der sich selbst nicht mehr zu kennen scheint ...




- Hajime -

Hajime, ein Einzelkind, lernt in der Schule Shimamoto, die ebenfalls keine Geschwister hat, kennen und zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Freundschaft. Einzelkinder selbst sind in Japan nicht besonders angesehen, sie gelten als eigenbrötlerisch und egoistisch. Und so kann Hajime hier auch beschrieben werden.

Er ist kein einfacher Charakter, sondern einer mit Ecken und Kanten. Auf den ersten gut 100 Seiten erfahren wir, wie er zu dem Mann heranwächst, der schließlich verheiratet und Inhaber zweier gut laufender Jazz-Bars werden wird. Es ist eine Geschichte, in der Hajime so einige Fehler begeht. Fehler, die er noch Jahre später bereut,

Obwohl Hajime durch seine Art nicht unbedingt ein sympathischer Buchcharakter ist, so strahlt das Buch doch eine gewisse Ehrlichkeit und Nähe aus. So sind wir dabei, wie Hajime seine ersten Erfahrungen sammelt, wie er zum ersten Mal seine Freundin betrügt und wie er augenscheinlich nicht einmal Reue empfindet.

In gewisser Weise ist Hajime ein Egoist, der sich auch selbst betrügt. Seine Charakterzeichnung hat mir hier ausgesprochen gut gefallen, denn Murakami hat hier einen Menschen geschaffen, der alles andere als perfekt ist, der Fehler begeht und sich selbst verliert.




"Gefährliche Geliebte" ist wohl ein nicht ganz so passender Titel für diesen sehr tiefgründigen Roman. Die Neuübersetzung namens "Südlich der Grenze, westlich der Sonne" ist eindeutig passender, denn es gibt eine wundervolle und treffende Anspielung dazu,

Ich war überrascht, wie schnell ich in dieser Geschichte angekommen bin. Schon nach wenigen Seiten war ich von Hajime als Charakter begeistert. Als Leser wachsen wir mit ihm heran und sind dabei, wie er im jugendlichen Leichtsinn so einige Fehler begeht. Fehler, die er nach außen hin nicht zu bereuen scheint, die ihn aber noch viele Jahre verfolgen sollen.

Haruki Murakami lässt sich hier Zeit, Hajime von allen Seiten zu betrachten. Dabei besitzt er eine schonungslose Ehrlichkeit und lässt seinen Protagonisten einfach leben. Als Leser wachsen wir mit Haruki heran und finden uns irgendwann in einem gut geordneten Leben wieder. Ein Leben, das überhaupt nicht zu dem Einzelgänger Hajime passen will.

Sehr passend antwortet Hajime auf die Frage, ob er denn glücklich ist, damit, dass er zumindest nicht unglücklich ist. Und das beschreibt sein Leben hier sehr gut. Er hat sich angepasst an die Gesellschaft, obwohl er eigentlich aus ihr herausbrechen möchte. Diese Möglichkeit bietet ihm seine Jugendliebe, die plötzlich auftaucht und alles, was er sich erarbeitet und aufgebaut hat, in Frage stellt.

Kritisch betrachtet Murakami in diesen Werk auch Japans Schattenseiten, besonders im gesellschaftlichen Leben. Hier haben wir beispielsweise Hajimes Schwiegervater, der nur auf das große Geld aus ist. Hajime passt sich dieser Welt an, obwohl er sich in ihr nicht wohl fühlt. Es ist, wie Shimamoto es ganz treffend formuliert so, dass auch Hajime die Hoffnung hat, dass es irgendwo anders, ja besser ist. Doch was, wenn es viel zu schwer ist, eine endgültige Entscheidung zu treffen?

"Gefährliche Geliebte" ist in gewissem Maße auch eine Liebesgeschichte. Eine tragische Liebesgeschichte, in der allerdings vor allem Leidenschaft zu spüren ist. Es ist eine Art der Erotik, der ich tatsächlich etwas abgewinnen konnte, was vermutlich an Murakamis Umgang mit Worten liegt. Er driftet nicht ins Vulgäre ab, sondern lässt Hajime einfach leben und lieben. (Und sich dabei selbst verlieren/wiederfinden!)




"Gefährliche Geliebte" war mein erstes Buch von Haruki Murakami und es hat mich zutiefst beeindruckt. Die Geschichte ist intensiv, tiefgründig und steckt voller Überraschungen. Es ist die Charakterzeichnung eines Verlorenen, der gleichzeitig ruhelos auf der Suche nach dem eigenen "Ich" ist. Ich bin auf weitere Bücher von ihm gespannt!

2 Kommentare:

  1. Huhu Jessi,
    danke für deine tolle, ausführliche Rezension! Ich wollte auch schon lange mal etwas von Murakami lesen und diese Geschichte klingt wirklich toll. Ich habe mir letztens die Krimis von ihm besorgt;-)
    Liebe Grüße, Petra

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    1. Huhu Petra :D

      Das ist ja toll! :D ich hatte mir auch schon lange vorgenommen, etwas von ihm zu lesen und jetzt bin ich so froh, endlich den Anfang gemacht zu haben! :D Ich glaube, dir wird er auch gefallen! :D

      Liebe Grüße
      Jessi

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