Montag, 20. April 2015

Opferland - Bettina Obrecht

Titel: Opferland
Autor: Bettina Obrecht
Erschienen am: 13. Oktober 2014
Verlag: cbj
Genre: Jugendbuch
Seitenzahl: 288
ISBN: 978-3570402481






"Jahrelang wurde Cedric gemobbt, mehrere Schulwechsel hat er hinter sich. Doch jetzt besucht er eine entfernte Stadtschule, hier kennt ihn niemand, hier scheint ein Neuanfang möglich. Dafür nimmt Cedric sogar die Trennung von seiner Familie in Kauf. Doch als der Schul- Liebling Lars ihn zum Spaß »Opfer« nennt, brennen bei Cedric die Sicherungen durch und die Vergangenheit holt ihn ein - gnadenlos. Nur die zurückhaltende Sinja hält noch zu ihm. Werden die beiden es schaffen, dem »Opferland« endlich zu entfliehen?"




Bettina Obrecht hat mit "Opferland" ein Jugendbuch erschaffen, das besonders durch die unterschwelligen Gefühle und Weisheiten besticht. Der Stil ist sehr geradlinig und perfekt für eine solch sensible Geschichte. Es wird nichts schön geredet. Die Autorin bringt die Geschehnisse auf einen Punkt, an dem man als Leser selbst zwischen "Falsch" und "Richtig" entscheiden muss. Zudem regt sie zu Nachdenken an und versucht zu zeigen, was in den Schatten von deutschen Schulen fast täglich passiert! Ja, diese Geschichte ist vielleicht nicht haargenau so passiert, aber sie gehört doch in abgewandelter Form zum täglichen Leben. Ganz gleich ob es ein Schüler einer Schule ist, ein Angestellter in einer Firma oder Mensch, in einer Gemeinschaft, die sich gegen "anders denkende" verschworen haben!




Ich war überrascht, dass diese Geschichte aus der Sichtweise eines Jungen geschrieben ist. Auf den ersten Blick wirkt Cedric nicht wie das typische "Opfer". Nein, er wirkt stark und er kann sich auf alle Fälle durchsetzen, doch je länger man seiner Geschichte folgt, um so klarer wird einem, dass er trotzdem in diese Opferrolle gerutscht ist. In diesem Meer aus verbaler und körperlicher Gewalt droht er zu ertrinken und es ist erschreckend, dass es niemanden zu geben scheint, der ihn retten möchte.
Leben wir vielleicht wirklich in einem "Opferland"? Einem Ort, wo es nur zwei Seiten gibt: die Starken und die Schwachen?

Cedric ist nicht die einzige vielschichtige Person in diesem Buch. Interessant fand ich auch die Rolle der Eltern, die ihn vollständig unterstützen und ihm vertrauen, egal, was passiert. Solche Eltern gibt es wohl in der heutigen Zeit nicht mehr so oft. Sie lassen Cedric auch in der schweren Zeit nicht allein und versuchen ihm zu helfen, doch es scheint, dass auch sie keine Kraft dafür haben. Es ist ein erbarmungsloser Krieg, den Cedric da durchlebt und es scheint keinerlei Hoffnung zu geben.

Auch Sinja, ein Mädchen mit dem Cedric "befreundet" ist, spielt noch eine wichtige Rolle. Sie unterstützt Cedric, auch wenn es ihr schwer fällt. Sie selbst hat ebenfalls eine schwere Last zu tragen, doch ist es nicht einfacher, diese Last zu teilen??




Da ich selber gerade ein Buch über Mobbing schreibe und während meiner Schulzeit auch auf der "Opferliste" stand, habe ich Cedrics Geschichte förmlich in mich aufgezogen. Man lernt Cedric zu Beginn des Buches nicht in der Schule kennen, sondern während der Film-AG, wodurch man ihn vollständig voreingenommen kennenlernt. Als Leser kann man zu Beginn nicht recht fassen, dass dieser kluge und mutige Junge eine dunkle Vergangenheit besitzt, doch nach und nach wird klar, wie zerbrochen er innerlich ist. Als ihn ein anderer Junge plötzlich "Opfer" nennt, verliert er völlig die Fassung und seine Fassade bekommt Risse.

Als Leser erfährt man ab hier was damals vorgefallen ist. Alles nimmt seinen Anfang in der Grundschule, in der er sich plötzlich als "anders" abgestempelt wird. Klar, das ist einfacher, als sich die Mühe zu geben, jemanden kennenzulernen. Für ihn beginnt die Hölle und er muss sich von da an durchkämpfen, denn es scheint, als hätten sich alle in der Schule gegen ihn verschworen. Selbst die Lehrer halten ihn für "schwierig" und schieben ihm die gesamte Schuld zu. Es ist eben leicht, sich gegen einen Schüler zu stellen, als gegen eine ganze Klasse.

Aus meiner Schulzeit weiß ich, dass Lehrer in manchen Fällen nicht unbedingt reifer als ihre Schüler sein müssen. Es gibt Pädagogen, die mit solchen "Mobbingatacken" maßlos überfordert sind und sich deswegen auf die Seite der mobbenden Schüler stellen. So ist es auch in "Opferland". Cedric versucht zu Beginn noch, Hilfe bei den Lehrern zu suchen, aber sie glauben ihm nicht und reden davon, dass er selbst der Schuldige ist, da er ja "anders" ist. Diese Geschichte hat mich furchtbar wütend gemacht und ich habe mich beim Lesen so furchtbar machtlos gefühlt. Wir leben in einer Welt aus Oberflächlichkeiten, eine Welt, die von den Starken beherrscht wird. Jene Starken, die vorgeben, was "Richtig" und "Falsch" ist. Es wird wenig nachgedacht und wenn es dann zu unausweichlichen Probleme kommt, wird die Sache schön geredet. Ich bin der Meinung, dass besonders Mobbing überhaupt nicht entstehen würde, wenn von Anfang an Respekt gelehrt werden würden. Doch an deutschen Schulen sieht es anders aus. Kinder werden dazu erzogen, alles was nicht der Norm entspricht, auszusondern. Kein Wunder, dass an diesem Druck so viele Kinder kaputt gehen!

Auch Cedric hält das alles nicht mehr aus. "Opferland" wird in zwei Zeitebenen erzählt. Einmal erfahren wir, was in seiner Schulzeit passiert ist und dann werden wir in die Gegenwart katapultiert, wo sich plötzlich alle erneut gegen ihn verschwören. Er ist in einem Teufelskreis gefangen und er spürt, dass er das alles kein weiteres Mal durchhalten wird. Doch wo soll er sich noch Hilfe suchen?? Außer seinen Eltern scheint ihm doch eh niemand zu glauben?? Was, wenn er für immer ein Opfer bleiben wird?

"Opferland" ist für mich sehr emotional und ich musste mir beim Lesen öfters mit den Tränen kämpfen. Es ist eine Geschichte, die es so gegeben haben könnte und aus diesem Grund hat sie mich so stark mitgenommen. Cedric redet davon, dass die Schulzeit eine Art Gefängnis ist, dass man mit 6 Jahren inhaftiert wird und erst nach 10 Jahren freigelassen wird, um sein Leben zu beginnen. Das trifft es meiner Meinung nach sehr gut. Schule ist ein Zwang, dem man nicht entkommen kann, ganz gleich ob man psychisch krank wird oder wie Cedric diesen Schikanen ausgeliefert ist. Es scheint alles so ausweglos und als Einzelner ist man machtlos dagegen!

Die Geschichte ist liebevoll erzählt, hat aber auch eine gewisse Gnadenlosigkeit, die sehr gut zu diesem Thema passt. Bettina Obrecht zeigt, wie es kommen kann, wenn man sich traut, "anders" zu sein und versucht mit Cedrics Geschichte die Leute wachzurütteln. Ich finde "Opferland" sollte eine Pflichtlektüre werden, nicht nur in der Schule, sondern auch für angehende Lehrer und Erzieher. Nur wenn man die Ungerechtigkeit begreift, kann man dagegen kämpfen!




Ein Buch, dass mich emotional sehr bewegt hat und mich wohl noch lange begleiten wird!

Ich vergebe 5 von 5 Käseratten mit Extrakäse!!!






3 Kommentare:

  1. Hallo Jessi,
    ich habe das Buch ebenfalls gelesen und ich fand es auch sehr gut.
    Schön nochmal eine Rezension dazu zu lesen.

    LG,
    Bücherfee

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  2. Vielen lieben Dank für deinen Kommentar :) Ich folge euerm Blog schon ein wenig länger ;)
    Du schreibst ein Buch? Kommst du gut voran? Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg!!!

    Liebste Grüße

    Sonja

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    1. Hi Sonja ;)

      Danke für deinen Kommentar :D

      Ja, das Schreiben ist mein täglicher Begleiter ;) Aktuell schreibe ich das dritte, ein zweites kommt in in ein paar Monaten raus ;)

      Liebe Grüße
      Jessi

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