Mittwoch, 6. Mai 2015

[Autoreninterview] Udo Kübler

In dieser Woche gibt es wieder einmal ein spannendes Interview mit einem Autoren, der einen ganz besonderen Schreibstil besitzt. Ich darf hier ganz herzlich Udo Kübler begrüßen!

Hallo Udo, erzähl den Lesern doch mal ein klein wenig über dich und deine Bücher!

Oje, wo fängt man denn da an? Probieren wir's mal so: Im richtigen Leben bin ich Inhaber und Chef einer recht erfolgreichen Werbeagentur. Meine Bücher sind wohl so eine Art Ventil, um die Spannung abzubauen, die sich durch den täglichen Stress des Agentur-Alltags aufgebaut hat.
Meine Bücher, rund um den Protagonist Jonathan Simpson, sind bisher allesamt Teil der „ANSELMO-TRILOGIE“. Eigentlich müssten bereits an dieser Stelle überall Antennen ausgefahren werden. Denn der Begriff „Anselmo“ ist ein Zitat, das dem Kenner sofort deutlich macht, was hier auf ihn zukommt. Da es aber so gut wie keine Kenner mehr gibt, bin ich so ziemlich der Einzige, der seinen Spaß damit hat.
Zur Erklärung: Ich bin ein Mensch mit ausgeprägtem Faible für Skurriles. Und darüber hinaus bin ich ein begeisterter Fan des Zitats. Und so spicke ich meine Texte immer wieder mal gern mit dem einen oder anderen Zitat. Diese können sich auf von mir geschätzte Texte, Bilder, Filme oder was auch immer beziehen. Im Falle des Begriffs „Anselmo“, zitiere ich eine TV-Serie, die bei uns wohl Anfang der Neunzehnhunertachtziger Jahre unter dem Titel „Das Model und der Schnüffler“ gesendet wurde. Es war wohl auch das Debüt eines gewissen Bruce Willis, in der Rolle eines Privatdetektivs. Einer der Running Gags der Serie war, dass ständig von einem „Anselmo-Fall“ die Rede war, den aber nie jemand bearbeitete und der sich auch sonst ungefähr so gebärdete, wie der auffällig gekleidete, schwarze Saxofonist, der mit dieser Punk-Band auf der Bühne steht, immer extrem breit grinst, sich mit einem großen weißen Seidentuch immer wieder den Schweiß abwischt, hin und wieder das Mundstück seines Instruments befeuchtet – aber nie einen einzigen Ton spielt.
Wer also glaubt, er bekäme zu Anfang erst mal gut erklärt, was es mit diesem „Anselmo“ auf sich hat, der könnte ganz schön enttäuscht werden. Wer allerdings dann davon überzeugt ist, hierbei handle es sich um eine reine Verarsche mit dem der Autor seine Leser verprellen möchte, muss sich im dritten teil der „ANSELMO-TRILOGIE“ vehement eines Besseren belehren lassen.

Was die meisten Leute ja brennend interessiert: Wie bist du eigentlich zum Schreiben gekommen? 

Zum Schreiben kam ich vor mehr als zwanzig Jahren eher zufällig. Im Urlaub auf Mallorca hatte ich plötzlich Lust eine kleine SF-Kurzgeschichte zu schreiben. Weil mir aufgefallen war, dass immer mehr Leute sich nicht mehr damit zufrieden gaben, auf Segel bestückten Surfbrettern herumzufahren, sondern dass die Boards immer kleiner wurden. Dadurch konnte man erheblich höhere Geschwindigkeiten erreichen, während gleichzeitig die Beherrschbarkeit der Dinger wesentlich erschwert wurde. Da hatte ich die Vision, wie sich Zeitvertreibe auf dem Wasser wohl in Zukunft entwickeln könnten.
Und so schrieb ich diese Geschichte, wie Jonathan Simpson seine Water-Harley zu Wasser lässt und dabei diese ganzen Heerscharen Verrückter beobachtet, die mit Mikado-Seglern, Katapult-Gleitern und was weiß ich noch allem durch die Bucht räubern. Hinterher gab ich diese Geschichte meinen Kindern zum Lesen, die damals wohl so Anfang Zwanzig und noch jünger waren. Die fanden, das sei wirklich toll geschrieben – mit SF habe es aber wohl eher weniger zu tun, da die von mir hier geschilderten Sportarten zwar nicht so, aber etwas anderer Form schon hie und da beobachtet werden könnten.
Damit war für mich sofort klar, dass ich von klassischer SF wohl besser die Finger lassen sollte, Schreiben an sich aber sehr viel Spaß macht.

Wie am Anfang schon erwähnt, hast du ja einen recht „außergewöhnlichen Schreibstil. Kannst du den Lesern kurz mehr dazu erzählen??? Wie kamst du dazu?

Zum Schreiben komme ich ja nur sehr sporadisch. In aller Regel nachts oder auch mal im Urlaub. Vor allem aber sehr unregelmäßig. Da kannst du dir keinen kunstvollen, vielschichtigen Plot erlauben, den du erst mal recherchieren musst, mit einer Zeittafel versiehst und in dem Legionen Nebenfiguren sich die Klinke in die Hand geben.
Ich beginne immer, indem ich zwar weiß, wie sich die Geschichte später anfühlen soll und was das Leitthema ist, mehr als die Eingangsszene aber habe ich nicht im Kopf. Brauche ich auch nicht, denn kaum habe ich ein, zwei Sätze geschrieben, erzählt mir eine innere Stimme den genauen Wortlaut der Handlung. Ich muss dann nur noch zusehen, dass ich schnell genug mitschreiben kann. Nichts an diesem direkt aus dem Ohr in die Tastatur gehackten Text wird jemals wieder gestrichen und durch einen neuen Text ersetzt. „Direct Storytelling“ habe ich diesen Stil genannt. Und weil es dabei nur einen einzigen Handlungsstrang gibt, bei dem die „Kamera“ immer und ausschließlich beim Protagonist ist, weiß der Leser immer so viel und so wenig wie der Held selbst. Und mir geht es beim Schreiben genau so.
Lustig dabei ist, dass zwischen zwei Schreibsessions gerne auch mal sechs,sieben Monate liegen können. Wenn ich dann weitermache, lese ich kurz mal die letzten ein, zwei Seiten – und schwups bin ich wieder im Thema. Die Stellen, wo es solche großen Pausen gegeben hatte, kann ich nicht einmal mehr selbst ausfindig machen.
Ein weiterer Kunstgriff meines „Direct Storytellings“ ist der Umstand, dass ich meinen Figuren automatisch immer sehr viel Eigenleben und Persönlichkeit mitgebe. Und spätestens durch die direkte Rede untereinander, bestimmen diese Personen wie die Handlung weiterläuft. Jede dieser Personen folgt in ihrem Verhalten und in ihrer Rede ausschließlich dem eigenen Charakter, Temperament und seiner eigenen Persönlichkeit. Niemals käme ich auf die Idee, einen Dialog oder gar eine ganze Gesprächsrunde zu inszenieren! Das hätte niemals auch nur annähernd die Kraft und Authenzität meiner „Direct Storytelling“-Dialoge!

Erzähl uns doch mal mehr zu Jonathan Simpson, deinem Protagonisten, der als Detektiv in deinen Büchern ermittelt!

Die Sache ist ja genau die, dass Jonathan Simpson eben nicht „in meinen Büchern als Detektiv ermittelt“. Das Konzept der Jonathan Simpson-Stories unterscheidet sich von den „üblichen“ Konzepten insofern, dass in jeder Geschichte alles anders ist. So spielen alle Geschichten zu ganz unterschiedlichen Zeiten, in der auch die Gegebenheiten jeweils völlig unterschiedlich sind. Das Einzige, was wirklich immer gleich ist, sind der Protagonist und der Ort der Handlung. Denn Jonathan Simpson – egal welcher Profession er gerade nachgeht – wohnt immer in diesem Haus in Bonaire, bei Alcúdia, im Norden Mallorcas.
Aber aufgepasst: Begriffe, wie Alcúdia, Bonaire und Mallorca sollte man nicht automatisch mit Bildern aus unserer eigenen Wirklichkeit besetzen. Es gehört zu meinen liebsten Eigenheiten, mir wo immer es geht, jede erdenkliche Freiheit zu nehmen und mit allem zu spielen, was wir sicher zu haben glauben. So ist Alcúdia in einer Geschichte eine dampfende Metropole einer nicht allzu fernen Zukunft, in der nächsten dann wieder die beschauliche Kleinstadt unserer eigenen Realität und dann wieder was ganz anderes.
Anfangs konnte Jonathan Simpson selbst darüber auch nicht unbedingt lachen. (Man muss nämlich wissen, dass er und ich uns am Ende jeder Geschichte in dieser seltsamen Bar „Thelma's“ treffen, die irgendwo zwischen hier und nirgends liegt. Dann klönen wir über das, was Jonathan gerade so erlebt hat und kommen dabei mitunter auch mal ins Philosophieren.) Mit der Zeit hat er aber richtig Gefallen daran gefunden, in immer wieder neue Wirklichkeiten springen zu können. Und mir als Autor eröffnet dieses Konzept die Möglichkeit, mit jeder Geschichte zwar ein ganz neues Kapitel aufzumachen und dabei doch stets vertraute Elemente zur Verfügung zu haben.

Wem würdest du deine Bücher empfehlen?

Jedem, dem der Rhythmus des Erzählens noch wichtiger ist, als die Geschichte selbst. Wer Spaß an überraschenden Wendungen hat, die nicht – wie bei einem typischen Thriller – dazu da sind, den Leser möglichst oft in die Irre zu führen, sondern mitunter – wie im richtigen Leben – unerklärt bleiben, der ist bei Jonathan Simpson gut aufgehoben. Und wenn jemand gerne schmunzelt oder gar lacht, schadet das schon überhaupt nicht.
Mein größtes Vorbild als Autor war und bleibt Robert Sheckley – einer der bester und skurrilsten SF-Schreiber überhaupt. Viele seiner Novellen waren Grundlage von Drehbüchern großer Hollywood-Produktionen. Gleichzeitig aber war ihm kein Bild und keine Idee zu gewagt. Ihm habe ich deshalb auch ein kleines Denkmal gesetzt, im Prolog zu „Jonathan Simpson – Die große Enseimada“. Ich würde mal sagen, ganz so doll wie der große Meister treibe ich es wohl nicht. Aber wer Sheckley mag – der ja leider vor ein paar Jahren verstorben ist –, der ist in der Welt des Jonathan Simpson bestens aufgehoben.
Ein Faible für Science Fiction und fantastische Literatur schadet nicht. Als klassische SF oder gar zeitgenössische Fantasy würde ich die JS-Stories aber keinesfalls bezeichnen. Weit und breit kein einziger Vampir oder Werwolf. Dafür läuft einem schon mal ganz unverhofft der Erzengel Gabriel oder die ganze Bagage der alten griechischen Götter über den Weg. Nicht zu vergessen dieser Kerl Anselmo …!

Wie kam es dazu, dass du deine Bücher hauptsächlich auf Mallorca spielen lässt? Gefällt dir deine Heimat um Frankfurt am Main nicht besonders?

In der Gegend von Frankfurt / M. bin ich ja nur beruflich zuhause, weil ich da meine Agentur habe. Meine eigentliche Heimat ist die Kurpfalz, die Gegend um Heidelberg – wo es mir sogar ausgesprochen gut gefällt. Seit 1989 habe ich aber dieses Haus auf Mallorca (dreimal darfst du raten wo). Dort kam mir die Idee zu meiner ersten Jonathan Simpson-Story. Und ich fand es einfach reichlich abgefahren, Geschichten zu schreiben, die auf Mallorca spielen, aber mit dem Bild, das man mit der Insel und den zitierten Plätzen spontan verbindet, fast gar nichts zu tun haben.

Schreibst du aktuell an einem weiteren Buch?

Ja. Und daran ist niemand anderes schuld, als Jonathan Simpson selbst. Während unseres letzten Treffens im „Thelma's“, wo ich ihm eigentlich schonend beibringen wollte, dass ich jetzt langsam zu alt sein könnte, für diese ganzen abgefahrenen Geschichten und mich mehr um meine Enkel und mein Handicap im Golf würde, hat der Kerl mir aber ganz unverhofft den Senkel gestellt und mich mit lauter Aussagen konfrontiert, die ich im Laufe der vielen Jahre so von mir gegeben hatte. Das hat mich derart beeindruckt, dass ich mich tatsächlich dazu hinreißen ließ, noch einmal eine Geschichte in Angriff zu nehmen. Und ich darf sagen, diese Geschichte wird eine ziemlich große Sache – in jeder Beziehung! Das liegt sicher auch daran, dass Jonathan selbst längst extrem versiert geworden ist. Wie ja überhaupt seine Entwicklung mich total beeindruckt …
Allzu viel will ich ja an dieser Stelle nicht verraten. Aber dieses Abenteuer kann man wirklich ohne Einschränkung Abenteuer nennen. Da ist vom ersten Kapitel bis zum Schluss Pfeffer drin. Und da agieren Personen, die einem mitunter ganz schön den Atem nehmen können.

Was war bis jetzt dein schönstes Erlebnis als Autor??

Eindeutig die Aussage einer Leserin, die mir schrieb, noch nie habe sie das Gefühl gehabt an einer Erzählung so nah dran zu sein. Mitunter habe sie das Gefühl gehabt neben Jonathan Simpson zu stehen oder ihm über die Schulter zu schauen.
Als ich das las, wurde mir schlagartig klar, dass genau das mein Ziel gewesen war, als ich anfing im „Direct Storytelling“ zu schreiben: ich wollte dem Leser ganz nahe sein, quasi eine intime Beziehung zu ihm aufbauen, ihn beim Erzählen meiner Geschichten auf meinem Schoß sitzen haben. Je öfter mir das gelingt, desto glücklicher werde ich sein.

Ich bedanke mich ganz herzlich für das spannende Interview und ich wünsche dir noch viel Erfolg mit deinen Büchern!

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank, liebe Jessica, für das mit mir geführte Interview! Habe es mir hier einmal selbst durchgelesen und finde es eigentlich sehr aufschlussreich.
    Hoffe, die Leser empfinden das genau so … ;-)

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  2. Ein sehr umfangreiches und informatives Interview, dass ich gerne geteilt habe. Vielen Dank dafür!

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