Genre: Roman
Erscheinungsdatum: 17. Dezember 2018
Anzahl der Seiten: 480
Cover und Inhaltsangabe © Goldmann Verlag
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar!
"Jahrelang hat Grace auf diesen Moment hingearbeitet. Sie hat trainiert, sie hat recherchiert. Jetzt ist sie sicher, dass der alte Mann neben ihr auf dem Beifahrersitz der Mörder ihrer Schwester ist.
Carl Louis Feldman ist Fotograf. Die Frau auf dem Fahrersitz behauptet, dass er eine Reihe von Mädchen umgebracht hat. Doch er weiß nichts davon. Er hat ohnehin kaum mehr Erinnerungen an sein Leben.
Je länger der Road Trip dauert, desto größer werden die Zweifel. Ist Carl ein gebrochener, dementer Mann, dem schreckliches Unrecht widerfährt? Oder ist er ein gefährlicher Psychopath, der nun zur Rechenschaft gezogen werden muss?"
"Paper Ghosts" ist ein recht spezielles Buch, das mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird. Allein Julia Heaberlins Schreibstil ist schon einzigartig. Auf den einen oder anderen Leser mag dieser vielleicht etwas abgehakt wirken, ja, vielleicht sogar wirr und leicht verworren, aber sie wählt ihre Worte doch mit Bedacht und geht dabei oft sehr bildhaft vor.
Ich empfand Julia Heaberlins Stil ist erfrischend anders, aber auch als recht schwierig. Für "Paper Ghosts" habe ich nämlich über eine Woche gebraucht und musste oftmals auch Abschnitte mehrmals lesen, um den Sinn dahinter verstehen zu können. So einzigartig der Stil der Autorin hier auch ist, Spannung konnte sie in diesem Buch für mich leider kaum erzeugen ...
- Grace -
Grace empfand ich als ungemein interessanten Charakter, der hier allerdings, genau wie ihr "Gegenspieler" Carl, recht undurchsichtig scheint. Sie ist auf der Jagd nach dem Mörder ihrer Schwester und vom Charakter her hat sie mich ein wenig an Emily Thorne aus der Fernsehserie "Revenge" erinnert.
Grace ist interessant, auch wenn ihre Gedankengänge doch oft schwer zu verstehen sind. So wusste ich als Leser lange Zeit nicht, ob ich nun auf ihrer Seite stehen soll oder ob sie nicht doch längst den Verstand verloren hat.
- Carl -
Carl ist ein alter, dementer Mann und laut Grace ohne jeden Zweifel der Mörder ihrer Schwester Rachel. Die Autorin hat Carl ebenso undurchsichtig erscheinen lassen wie Grace, wodurch der Leser hier wirklich eigene Vermutungen anstellen kann.
Auf der einen Seite wirkt Carl einfach nur wie ein alter Mann, der gar nicht versteht, was Grace, die sich als seine Tochter ausgibt, überhaupt von ihm will, auf der anderen Seite wirkt er hingegen gefährlich und unberechenbar. Kann er also tatsächlich der Mörder von Grace Schwester und vielen anderen Mädchen sein?
Grace ist mit Sicherheit kein einfacher Charakter. Das zeigt sich bereits auf den ersten Seiten, auf denen sich bereits offenbart, wie besessen sie ihren Rachegedanken folgt. Sie gibt sich Carls Tochter aus und holt diesen aus einem Heim für demenzerkankte Straftäter, um ihn dazuzubringen, die Wahrheit zu sagen.
Das ungleiche "Paar" begibt sich nun auf einen Roadtrip der besonderen Art. So entführt sie Carl, der seinerseits einige Bedingungen stellt, zu den Schauplätzen seiner Fotos, die gleichzeitig auch mit einigen Morden in Verbindung gebracht werden können. Am Ende der Reise soll die Wahrheit stehen, doch es scheint schwer zu sein, zu Carl durchzudringen.
Carl empfand ich als ungemein faszinierenden Charakter, der bis zum Schluss sehr geheimnisvoll bliebt. Die Dynamik zwischen ihm und Grace fand ich zu Beginn sehr interessant, doch leider verpufft diese im Verlauf des Romans.
In "Paper Ghosts" geht es, wie der Titel vermuten lässt, natürlich auch um "Geister", die hier aber vielmehr Erinnerungen darstellen. So fand ich die Symbolik hinter den verschiedensten Fotos, die Carl einst gemacht hat und die hier immer wieder aufgegriffen werden, gut gewählt und sehr atmosphärisch. Die Orte, die Carl und Grace hier aufsuchen einen ganz eigenen Charme, wenngleich es mir ab einen gewissen Punkt zu viel wurde, ja, beinahe zu intensiv.
Irgendwann hatte ich das Gefühl, komplett in der Geschichte verloren zu sein, ja, ich habe mich gefühlt, als würde ich in einem Dschungel umherirren, der aus wirren Gedanken und vielen Geschichten aus der Vergangenheit besteht. So steht nicht das Verschwinden von Graces Schwester im Fokus, sondern auch das anderer Mädchen ...
"Paper Ghosts" war ein Buch, dass sich ab einen gewissen Punkt enorm gezogen hat. Vieles wiederholt sich und so verliert auch das anfangs so gut inszenierte Kammerspiel zwischen Grace und Carl irgendwann seine Intensität. Viele Dinge werden zu oft durchgekaut, einiges wirkt unglaubwürdig und leider viel zu theatralisch.
Das Ende bot dann auch leider den absoluten Tiefpunkt der Geschichte. Mir war aufgrund der fehlenden Spannung schon frühzeitig klar, dass die Autorin hier sehr ruhige und nachdenkliche Momente erzeugen will, aber die letztendliche Auflösung hat mich fürchterlich enttäuscht, besaß sie doch kaum Zusammenhänge. Alles wirkte auf Biegen und Brechen zusammengeschustert, um dann, nach über 400 Seiten endlich zu einem Schluss kommen zu können. Doch das Ende zerstört hier leider all das, was die Autorin zuvor so mühsam aufgebaut hat ...
"Paper Ghosts" besitzt einen einzigartigen Schreibstil und eine ganz besondere Dynamik zwischen den beiden Charakteren, die hier einen echt verrückten Roadtrip machen. Leider zerstört die doch sehr flache und zusammengeschusterte Auflösung die gesamte Atmosphäre und hat dazu geführt, dass ich das Buch überaus frustriert zugeschlagen habe ...